Ausweisung HMWB

Definition

Art. 2, Abs. 8 der EG-WRRL:

„Erheblich veränderte Wasserkörper“: Ein Oberflächenwasserkörper, der durch physikalische Veränderungen in Folge anhaltender menschlicher Tätigkeiten / Nutzungen, in seinem Wesen erheblich verändert wurde und der ohne signifikante Einschränkung oder Aufgabe dieser menschlichen Nutzung den „guten ökologischen Zustand“ nicht erreichen kann.

Art. 4, Abs. 3 (Umweltziele) EG-WRRL:

Einstufungen in die Kategorien künstliche oder erheblich veränderte Oberflächenwasserkörper können vorgenommen werden, wenn die erforderlichen Änderungen der hydromorphologischen Merkmale zur Erreichung der Umweltziele signifikante negative Auswirkungen hätten auf

Zusätzlich ist zu prüfen, ob ggf. die o.g. Nutzungen nicht durch andere Mittel zu realisieren sind, die eine wesentlich bessere Umweltoption darstellen. Technische Gründe oder unverhältnismäßig hohe Kosten können ebenfalls zu einer Ausweisung als künstliche oder erheblich veränderte Wasserkörper führen.

Das Ziel für erheblich veränderte Wasserkörper (HMWB - heavy modified waterbody) ist der Erhalt bzw. die Erreichung des sogenannten guten ökologischen Potenzials.

Leine natürlich
Leine verändert

Leine als natürlicher Wasserkörper südlich von Göttingen (links) und als erheblich veränderter Wasserkörper im Stadtgebiet Göttingens (rechts).

Vorgehen der Ausweisung in der GK 18 (HMWB-Vorgehen als pdf)

Grundsätzlich wurde definitionsgemäß das Ziel der Erreichung eines guten ökologischen Zustandes in den Mittelpunkt der Ausweisung gestellt. Das bedeutet:
Verbesserungsmaßnahmen werden einbezogen und die Ausweisung eines Wasserkörpers als HMWB stellt die Ausnahme von der Regel dar.

Die EG-WRRL gibt deutlich vor, dass nur hydromorphologische Belastungen zur HMWB-Ausweisung führen können. Eine Aussage zum hydromorphologischen Zustand der Gewässer gibt die Übersichtskartierung der Strukturgüte, die für alle EG-WRRL relevanten Gewässer vorlag. Damit stellen deren Aussagen eine wichtige Grundlage dar und sind zur Ausweisung der HMWB herangezogen worden. Dies hat den Vorteil der Überprüfbarkeit und bei wiederholten Kartierungen der eventuellen Anpassung.

Informationen zu Belastungen und Nutzungen konnten aus Daten des amtlichen Liegenschaftskatasters, aus Luftbildern, topographischen Karten und vor allem aus Informationen von Ortsansässigen und Akteuren vor Ort gewonnen werden. Deshalb wurde der Beteiligung der mit den Gewässern vertrauten Behörden (u. a. Wasser- und Naturschutzbehörden) sowie Akteuren (Naturschutzverbände, Fischereivereine) große Aufmerksamkeit geschenkt. Dies ist auch im Sinne der Öffentlichkeitsbeteiligung gem. § 14 der EG-WRRL zu sehen.
Daten zur biologischen Gewässergüte gingen in die Ausweisungsprüfung nicht mit ein.

Grundlagen der Ausweisung

Zur Bewertung von Veränderungen in der Morphologie wurde die Strukturgüte-Gesamtbewertung herangezogen. Dies erscheint gerechtfertigt, da in der hierarchischen Bewertung die Gewässerbettparameter weit mehr gewichtet werden als die Aueparameter und die Linienführung im Vordergrund steht. Für die Bewertung von Veränderungen im Abflussregime wurden Gebietskenntnisse und von Einschränkungen der Durchgängigkeit die Querbauwerksdaten herangezogen. Für die Abschätzung von Rückstaubereichen können auch die Einzelparameter der Strukturgütekartierung gesichtet werden.

Signifikant negative Auswirkungen auf angrenzende landwirtschaftliche Nutzungen werden an den Modellgewässern und im gesamten Bearbeitungsgebiet Leine / Ilme ausgeschlossen. Hätten Verbesserungsmaßnahmen Aufgabe von baulichen Infrastrukturen (Siedlung, Gewerbe, Verkehrswege etc.) zur Folge wird von einer signifikant negativen Auswirkung auf die Nutzung ausgegangen.

Vorgehen bei der Ausweisung

Für die Ausweisung werden Informationen und Daten für die Diskussion aufbereitet und dargestellt.

Schritt 1: Darstellung der Strukturgütekartierung in Karte und Tabelle
Schritt 2: Kennzeichnung von stauwasserbeeinflussten Bereichen
Schritt 3: Durchgängigkeit überprüfen (auch Querbauwerke ggf. mit Absturzhöhe < 0,30 m)
Schritt 4: Ausweisung nach dem 30 - 70 % Prinzip
Schritt 5: Auflistung der Nutzungen und den damit verbundenen Belastungen des Wasserkörpers und die Auswirkung auf Hydromorphologie (tabellarisch, siehe Beispiel Arbeitspapier Schleierbach); weitere Diskussion mit Akteuren vor Ort erforderlich (Einbindung von Expertenwissen)

Ermittlung natürlicher Wasserkörper

Die Strukturgüte-Gesamtbewertung wurde dazu herangezogen. Als Schwellenwert wurde hier die Strukturgüte-Gesamtbewertung < 4 angesetzt und das 30 % - 70 % Prinzip angewandt. Das bedeutet: Hat ein Wasserkörper auf ≥70 % seiner Länge Strukturgüteklasse 1 bis 3 wird er automatisch als natürlich ausgewiesen.

Ist im Wasserkörper die Durchgängigkeit unterbrochen (könnte im Beispiel in den Abschnitten 1 und 2 der Fall sein), das Defizit kann aber durch entsprechende Verbesserungsmaßnahmen minimiert werden, so wird der Wasserkörper auch als natürlich ausgewiesen. Die Realisierbarkeit und die Kosten der Verbesserungsmaßnahmen werden zunächst nicht betrachtet.

Ermittlung erheblich veränderter Wasserkörper

Grundsätzlich ist die Ausweisung natürlich oder HMWB für komplette Wasserkörper vorzunehmen. Sind ≥70 % des Wasserkörpers der Strukturgüteklassen 5, 6 und 7 zuzuordnen erfolgt eine Einstufung als HMWB. Es wird hier unterstellt, dass die Strukturveränderungen am Gewässer überwiegend irreversibel sind und auch mit Maßnahmen der gute ökologische Zustand nicht erreichbar sein wird.

Tritt die häufige Situation ein, dass der Anteil der Strukturgüteklasse ≤4 zwischen 30 und 70 % liegt, so sind das Expertenwissen und Ortskenntnisse gefragt.

Um einen Überblick über die Situation, die Nutzungen, die Belastungen und Defizite des Wasserkörpers zu bekommen, wurden Datenbögen zur Aufnahme dieser Informationen entwickelt (Abb. 9; Datenbögen aller Wasserkörper in Anhang II). Es zeigte sich, dass die Einbindung der Akteure vor Ort unabdingbar für Zusammenstellung dieser Informationen ist.

Eine Betrachtung der Situation vor Ort zeigte, dass es häufig Wasserkörper gibt, die durch Defizite in den Ortslagen belastet sind und es so zu einer Einstufung als HMWB kommen könnte, obwohl die überwiegende Länge als natürlich einzustufen wäre. Hier wird als Kriterium folgendes angesetzt: Ausweisung als HMWB wenn Entwicklungsmöglichkeiten, d.h. Erreichung des guten ökologischen Zustandes, durch intensive Nutzung bedeutet beidseitig Siedlung, Infrastruktur oder Industrie auf ≥30 % der Wasserkörperlänge stark eingeschränkt sind. Bei einseitigen Schädigungen wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass das Gewässer auf der gegenüberliegenden Seite noch Entwicklungspotenzial besitzt. Auf die separate Ausweisung solcher, meist relativ kurzer Abschnitte (< 1 km) wird für die Ortslagen verzichtet.

Trotz allem sollte auf die begrenzten Entwicklungsmöglichkeiten bei der Ausweisung hingewiesen werden, da dort weniger strenge Umweltziele zu definieren sind. Deshalb können natürliche Wasserkörper ausgewiesen werden, die in Ortslagen erheblich veränderte Abschnitte besitzen. Dies betrifft z. B. das Modellgewässer Garte, wo in den Ortslagen Wöllmarshausen und Diemarden erheblich veränderte Abschnitte vorhanden sind.

Gleichwohl könnte der Wasserkörper den guten ökologischen Zustand bei Umsetzung von Maßnahmen zur Revitalisierung, eigendynamischer Entwicklung und Minimierung der N- und P-Belastung längerfristig erreichen.

Vergleich
Ergebnis des Ausweisungsverfahrens: Nds. Berg- und
Hügelland
16 Wasserkörper (WK) HMWB 26 % aller WK 61,0 % 58 %
45 Wasserkörper natürlich 74 % aller WK 15,5 % 36 %
0 Wasserkörper künstlich 21,0 % 6 %

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